6. Oktober 2025 | 18:09 Uhr
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Jordanien stürzt "from Overtourism to no Tourism"

Der Gaza-Krieg trifft Jordaniens Tourismus hart. Bis zu 90 Prozent der Besucher bleiben aus, Zehntausende Jobs sind verloren. Dabei ist das Land selbst ruhig, sicher – und voller Sehenswürdigkeiten, die auf Reisende warten.

Jordanien Wadi Rum Foto Thomas Hartung.jpg

Die Wüsten-Camps im Wadi Rum hoffen wie auch die Felsenstadt Petra auf ein baldiges Comeback des Tourismus in Jordanien

Auf den ersten Blick ähneln sie den Kondensstreifen von Verkehrsflugzeugen. Doch dafür sind die weißen Spuren am Himmel kurz vor dem fotogenen Sonnenuntergang im Wadi Rum zu dicht beieinander. Tatsächlich sind es Raketen, wie sich später herausstellt, die auf dem Weg nach Tel Aviv sind und die Abendstimmung in der jordanischen Wüste trüben.

Diese Szene ist sinnbildlich für das unverschuldete touristische Desaster Jordaniens. "Wir leiden unter unseren lauten Nachbarn", formuliert es Zuhair Zuriqat, Chefreiseleiter von G Adventures in Jordanien. Aktuell ist der Gaza-Krieg der Auslöser der Tourismuskrise im Land. "We went from Overtourism to no Tourism", sagt Malia Asfour von Visit Jordan.

"Wir haben bis zu 90 Prozent unserer Besucher verloren"

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel und dem Krieg in Gaza sind die Touristenzahlen in Jordanien abgestürzt. "Wir haben bis zu 90 Prozent unserer Besucher verloren", so Zuriqat. In der Felsenstadt Petra bedeutet das gähnende Leere. Wo sich sonst im Tagesdurchschnitt 5.000 Besucher und in der Hochsaison manchmal mehr als 20.000 den Weg zu dem berühmten Grabtempel bahnen, sind es derzeit nur ein paar Hundert.

Das ist ein hartes Brot für die Souvenirverkäufer und die Betreiber der Erfrischungsstände entlang des rund vier Kilometer langen Weges, der mit Ruinen und Höhlen gesäumt ist. 40 Postkarten für umgerechnet einen Euro zeigen, wie groß die Not ist. "Tourismus ist unser Öl", sagt Jordanien-Werberin Asfour. Wenn dieser wegbricht, hat das Land ein Problem. Mit Kriegsbeginn im Nachbarland fielen praktisch über Nacht 70.000 Jobs weg. Heute ist jeder dritte Jordanier arbeitslos.

Keine Warnung vor dem Besuch Jordaniens

Dabei ist es in Jordanien selbst ruhig, und die Einheimischen sind wie schon immer gastfreundlich und weltoffen. "Wir sind Opfer von Missverständnissen", sagt Zuriqat. Reisen in Jordanien seien sicher, es gebe keinen Grund, nicht zu kommen. Offizielle Hindernisse für Jordanien gibt es tatsächlich nicht. Das Auswärtige Amt rät allerdings dringend von den Grenzgebieten zu Syrien und dem Irak ab. Dies ist jedoch nicht neu, und diese Regionen sind touristisch nicht relevant.

Viele Reiseveranstalter bieten Jordanien allerdings in Kombination mit den christlichen Stätten in Israel an. Das hält Besucher von einer Reise in die Region ab. Dabei gibt es allein in Jordanien 40.000 historische Stätten, wie Reiseleiter Zuriqat weiß. Doch selbst ohne diese Vielzahl reichen die Attraktionen für eine Rundreise durch Jordanien locker aus.

Reichlich Attraktionen als Stand-alone-Ziel

Neben dem UNESCO-Welterbe Petra wartet die riesige Ausgrabungsstätte Jerash, die seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. durchgängig besiedelt ist. Die antike Altstadt zählt zu den am besten erhaltenen römischen Provinzstädten weltweit. Auf dem Toten Meer, dem mit 430 Metern unter dem Meeresspiegel tiefsten Punkt der Erde, lässt man sich im Salzwasser treiben, ohne unterzugehen, und gönnt sich anschließend eine Schlammpackung. Im Süden Jordaniens zieht das Wadi Rum in der Wüste Besucher in seinen Bann und noch eine Stunde Autofahrt weiter lockt in Aqaba das Rote Meer. In der quirligen Hauptstadt Amman erlebt man das moderne Jordanien. Zudem gibt genug Flüge von Deutschland. Mit Royal Jordanian ist man in vier Stunden vor Ort.

Damit sind eigentlich alle Zutaten für Tourismus vorhanden. Sogar eine Strategie, wie Jordanien dem Overtourism entgegentreten will, gibt es. Das Stichwort lautet Entzerren: Man will sich nicht allein auf die wenigen bekannten Highlights konzentrieren, sondern auch weniger bekannte Orte und Attraktionen promoten. Overtourism ist derzeit allerdings ein Luxusproblem.

Thomas Hartung

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