Das ist die Agenda der Tourismusausschuss-Vorsitzenden
Die CDU-Abgeordnete Anja Karliczek sieht in der Tourismusbranche einen unterschätzten Wirtschaftsfaktor und fordert mehr politisches Gewicht für tourismusrelevante Themen. Im Reise vor9-Podcast spricht die Vorsitzende des Tourismusausschusses im Bundestag über Fachkräftemangel, Bürokratie, Standortkosten für die Luftfahrt und digitale Sichtbarkeit.

CDU
Anja Karliczek will vor allem auf Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit setzen
Karliczek sieht die Branche als "veritables wirtschaftliches Standbein, das in der politischen Praxis oft zu wenig Beachtung finde. Mit rund vier Millionen direkt und indirekt Beschäftigten trage der Tourismus bis zu sechs Prozent zur deutschen Wertschöpfung bei. Dennoch werde er häufig als Nebenthema behandelt, so Karliczek im Reise vor9-Podcast.
Vielfalt erschwert Lobbyarbeit
Ein Grund für die geringe Sichtbarkeit sei die heterogene Struktur der Branche: "Vom Flughafen bis zum Wanderweg, von der Hotellerie bis zur Destination ist alles dabei." Anders als etwa die Automobilindustrie tue sich die Tourismuswirtschaft schwer, mit einer Stimme zu sprechen. Dies erschwere den Zugang zur Politik – insbesondere, wenn es um Gesetzgebung mit touristischen Auswirkungen gehe.
Im internationalen Wettbewerb sieht Karliczek Deutschland gut positioniert – als sicheres Reiseland mit kulturellen, kulinarischen und naturnahen Angeboten. "Die Welt ist in Bewegung, und wir sind für viele ein Hort der Stabilität." Um dieses Potenzial auszubauen, müsse die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) verlässlich ausgestattet werden. Die bislang jährlich verlängerten Sondermittel sollen dauerhaft im Haushalt verankert werden.
Gastronomie und Luftverkehr unter Druck
Die geplante Rückkehr zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie sei laut Karliczek ein wichtiger Schritt zur Entlastung: "Energie, Lebensmittel, Personal – alle wesentlichen Kosten sind gestiegen." Ohne steuerliche Entlastung drohe ein Betriebssterben.
Auch die Luftverkehrswirtschaft brauche eine Senkung der Standortkosten, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. "Immer mehr Fluglinien planen um Deutschland herum. Das ist nicht nur ein touristisches, sondern ein gesamtwirtschaftliches Problem." Seitens der Bundesregierung ist indes aktuell, anders als ursprünglich angekündigt, keine Senkung der Flugticketsteuer geplant.
Fachkräfte: Mehr Netto vom Brutto
Die Personalnot bleibe eines der drängendsten Probleme, so Karliczek. Neben gezielter Qualifizierung und Zuwanderung plädiert sie für steuerfreie Überstundenzuschläge und flexiblere Arbeitszeitregelungen. "Wenn am Ende mehr Netto bleibt, wird Arbeit auch wieder attraktiver." Dabei gehe es auch um die Sozialversicherungsbeiträge, die in ihrer jetzigen Struktur Beschäftigung unattraktiver machten.
Der Fachkräftemangel werde zusätzlich durch langwierige Verfahren erschwert. Karliczek verweist auf zu enge Auslegung von Vorschriften – etwa bei der Beschäftigung ausländischer Busfahrer. Sie fordert mehr Entscheidungsspielraum für die kommunale Ebene und eine umfassende Überprüfung der Regulierungen auf Bundes- und EU-Ebene: "Vieles wird in Deutschland restriktiver ausgelegt als in Nachbarländern."
Digitale Sichtbarkeit fördern
Digitale Infrastruktur sei ein entscheidender Hebel für die Wettbewerbsfähigkeit – gerade für kleinere Anbieter. Die DZT baue derzeit einen "Knowledge Graph" auf, der touristische Angebote besser auffindbar machen soll. Entscheidend sei jedoch auch, dass Betriebe über ausreichend Mittel für digitale Investitionen verfügten. Daher gelte: "Je mehr Marge in den Betrieben bleibt, desto eher können sie Transformation leisten."
Die seit Jahren diskutierte nationale Tourismusstrategie soll laut Karliczek nun in einer konzentrierten Fassung neu aufgesetzt werden. Im Fokus stehen Wettbewerbsfähigkeit, Digitalisierung, Lebensraumgestaltung und Tourismusakzeptanz. Anders als frühere Papiere soll die neue Strategie weniger kleinteilig, dafür aber zielorientierter sein. Im Herbst soll sie in den parlamentarischen Prozess eingebracht werden.
Wichtig sei, die Strategie nicht nur horizontal mit Ministerien und Parteien, sondern auch vertikal mit Ländern, Kommunen und Unternehmen abzustimmen. Denn: "Was Wettbewerbsfähigkeit auf Landesebene bedeutet, kann ganz anders aussehen als im einzelnen Betrieb."
Christian Schmicke