Dertour streicht Ausflüge zu Meeressäugern in Gefangenschaft
Die Dertour Group beendet weltweit die Zusammenarbeit mit Anbietern, die Meeressäuger in Gefangenschaft halten oder für Shows einsetzen. Mit der Entscheidung folgt der Konzern internationalen Tierwohlstandards und ergreift in der Debatte über Tierschutz und touristische Verantwortung Partei.
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Attraktionen, die etwa Shows mit Orcas anbieten, werden aus dem Dertour-Programm gestrichen
Die Dertour Group, zu der rund 130 Reiseveranstalter, Reisebüroketten und Portale gehören, zieht Konsequenzen aus der anhaltenden Debatte um den Umgang mit Meeressäugern im Tourismus. Ab November 2025 werden konzernweit keine Ausflüge oder Attraktionen mehr angeboten, bei denen Wale, Delfine oder andere Meeressäuger in Gefangenschaft leben oder zu unnatürlichem Verhalten gezwungen werden. Von der neuen Regelung sind auch bekannte Einrichtungen wie SeaWorld in Orlando oder der Loro Parque auf Teneriffa betroffen.
Man beende die Zusammenarbeit mit Anbietern, die Meeressäuger für Shows oder direkte Interaktionen mit Gästen nutzten, heißt es von der Rewe-Tochter. "Wir möchten sicherstellen, dass unsere Angebote den höchsten Standards des Tierschutzes entsprechen", sagt Laura Steden, Director Corporate Responsibility der Dertour Group.
Die Entscheidung ist Teil einer konzernweiten Tierschutzstrategie, die nach Angaben des Unternehmens in Kooperation mit internationalen Experten entwickelt wurde. Sie orientiert sich an den globalen Tierwohlstandards des britischen Reiseverbands ABTA und soll im gesamten Konzern einheitlich umgesetzt werden.
Tierschutz statt Tierattraktionen
Das Unternehmen streicht unter anderem Aktivitäten wie Delfinschwimmen oder Shows, bei denen Tiere Kunststücke zeigen oder das Wasser verlassen müssen, wie es beim sogenannten "Beaching" der Fall ist. Stattdessen setze man auf tierfreundliche Alternativen wie die Beobachtung von Meeressäugern in freier Wildbahn, heißt es.
Zugleich will der Konzern mit seiner Stiftung, der Dertour Foundation, gezielt Projekte fördern, die dem Schutz der Meeresumwelt dienen. Dazu zählen Programme zur Wiederherstellung von Korallenriffen auf den Malediven, die Aufforstung von Mangrovenwäldern in Sri Lanka und der Schutz von Meeresschildkröten an der türkischen Mittelmeerküste.
Besonders im Fokus steht der Loro Parque auf Teneriffa, einer der größten Zoos Europas. Dort treten Orcas und Delfine regelmäßig vor Publikum auf – ein Angebot, das seit Jahren von Tierschützern kritisiert wird. Der Park verteidigt diese Praxis damit, dass die Tiere in kontrollierter Umgebung leben und durch Zuchtprogramme zum Artenschutz beitragen.
Debatte über Orca-Shows
Parkbetreiber Christoph Kiessling betonte in einem Streitgespräch mit der Sängerin und Aktivistin Sarah Connor, das im März in der Zeit (Abo) erschien, dass es nicht darum gehe, den Ozean zu ersetzen, sondern eine sichere Umgebung zu schaffen. Orcas seien im Meer Mikroplastik, Ölverschmutzung und Algenblüten ausgesetzt. Conor, die sich mit einer Stiftung für den Schutz iberischer Schwertwale engagiert, widersprach. "Was die Orcas dort zeigen, ist kein natürliches Verhalten", sagte sie in einem Interview. In der Natur legten die Tiere Strecken bis zu 220 Kilometer am Tag zurück, in Gefangenschaft dagegen verbrächten sie die meiste Zeit bewegungslos.
Die Haltung von Meeressäugern in Zoos bleibt umstritten. Während Befürworter auf Artenschutz und Forschung verweisen, sehen Kritiker darin ein Auslaufmodell. Dertour hat sich nun klar auf der Seite der Tierschützer geschlagen und folgt damit einem Trend, der auch bei anderen Reiseanbietern zu beobachten ist.
"Wer die Bedürfnisse der Tiere ernst nimmt, kann sie nicht zum Vergnügen der Menschen vorführen", heißt es aus Unternehmenskreisen. Die Debatte dürfte damit nicht enden, aber sie erhält durch die Entscheidung eines der größten europäischen Touristikkonzerne neuen Schwung.
Christian Schmicke