Die Chancen und Risiken des Dertour-Hotelplan-Deals
Die Übernahme der Hotelplan-Gruppe durch die Dertour Group habe strategisch Schlagkraft – intern aber auch Konfliktpotenzial, sagt der Personalexperte Matthias Mölleney. Für viele Mitarbeiter beginne damit eine Phase der Ungewissheit, warnt er im Gespräch mit dem Schweizer Portal Travel News: "Die eigentliche Herausforderung beginnt jetzt – nicht erst, wenn Verträge unterschrieben sind."

Hotelplan
Die Übernahme eines großen Unternehmens durch ein anderes sorgt für Unsicherheiten bei der Belegschaft; auch im Fall von Hotelplan
Die Belegschaft frage sich: Bleibe ich? Was verändert sich? Besonders entscheidend ist laut Mölleney der Arbeitsort. Wer plötzlich doppelt so weit pendeln müsse, verliere an Bindung. Noch gravierender sei es, wenn diese Fragen unbeantwortet blieben. Frühzeitige, offene Kommunikation sei daher essenziell, sagt der Leiter des Centers for Human Resources Management & Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich im Interview mit Travel News.
Obwohl sich die Strukturen von Hotelplan und Dertour ähneln, sieht Mölleney Unterschiede in der Managementkultur. In der Schweiz zähle unternehmerisches Denken, in Deutschland eher Systemtreue, glaubt er. Zwei legitime Wege – aber mit Konfliktpotenzial. Wer hier nicht sensibel agiere, riskiere Missverständnisse. "Symbolische Signale spielen eine enorme Rolle", so der Personalexperte. Wer wo sitze, wie das Chefzimmer gestaltet sei – all das sende Botschaften über Kultur und Werte.
Glaubwürdigkeit ist zentral
In Umbruchzeiten neigten Mitarbeitende zu Extremen: Entweder an Altem festhalten oder sich vorschnell dem Neuen anbiedern. Beides wirke wenig authentisch. Besser sei es, mit Neugier und Offenheit an die Situation heranzugehen. Wer sich aufrichtig mit der neuen Realität auseinandersetze, signalisiere Anpassungsfähigkeit und Reflexionsvermögen.
Kritisch sei jedoch auch die Reaktion auf der Seite der übernehmenden Organisation. Dort entstehe oft unerwartet starker Widerstand – gerade, wenn lang geplante Karrieren plötzlich infrage stünden. Wenn ein etablierter Mitarbeiter mit klarer Perspektive auf eine Führungsrolle plötzlich Konkurrenz durch neue Kräfte bekomme, steige die Verunsicherung. Das müsse beim Management der Veränderungen berücksichtigt werden.
Klarheit statt Boni
Einige Unternehmen versuchten, mit Boni personelle Abwanderung zu verhindern. Mölleney hält davon wenig. Wichtiger seien klare Regeln und Transparenz. Wenn Doppelbesetzungen entstünden, müsse frühzeitig kommuniziert werden, nach welchen Kriterien entschieden werde. "Niemand möchte sich in einem internen Machtduell wiederfinden", warnt er.
Trotz der Unsicherheit sieht Mölleney Chancen: Die wirtschaftliche Lage sei stabil, die Branche befinde sich nicht in einer existenziellen Krise. Wer bei Hotelplan nicht bleiben könne oder wolle, habe gute Perspektiven. Die Marke sei anerkannt, die Beschäftigten gefragt. Erfahrung, Agilität und Innovationsgeist seien derzeit besonders begehrt. Mölleney ist überzeugt: "Manche werden diese Phase ganz bewusst als Chance nutzen."
Christian Schmicke