3. Juli 2025 | 15:11 Uhr
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Bahnpolitik sorgt erneut für hitzige Diskussionen

Wegen stark gestiegener Trassenpreise warnt Bahnchef Richard Lutz vor Einschnitten im Fernverkehrsangebot. Ohne zusätzliche staatliche Förderung sei eine wirtschaftlich tragfähige Planung kaum möglich. Auch Gewerkschafter Martin Burkert (EVG) spricht von drohenden Preissteigerungen für Fahrgäste. Und der frühere GDL-Chef Claus Weselsky prangert erhebliche strukturelle Defizite an.

Bahntower

Trassenpreise und Tarife bei der Bahn stehen erneut im Mittelpunkt der Kritik

Seit Tagen durchziehen Warnungen vor kräftigen Steigerungen der Ticketpreise der Bahn die Medienlandschaft. Der Vorstandschef der Deutschen Bahn, Richard Lutz, sieht die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Fernverkehrs unter Druck. Grund dafür seien die stark gestiegenen Trassenpreise, die Eisenbahnunternehmen für die Nutzung des Schienennetzes zahlen müssen, sagte er der Nachrichtenagentur DPA. "Wenn die diesjährige Trassenpreisförderung und die spätere Reform des Trassenpreissystems nicht in ausreichendem Maße erfolgt, dann muss der Fernverkehr sein Angebot auf wirtschaftliche Tragfähigkeit überprüfen und gegebenenfalls anpassen", so Lutz. Ohne Unterstützung der Politik seien Angebotskürzungen unvermeidbar.

Kosten steigen durch Eigenkapitalzinsen

Die Trassenpreise betreffen nicht nur externe Wettbewerber, sondern auch die eigenen Verkehrsbereiche der Deutschen Bahn – Fern-, Regional- und Güterverkehr. Verantwortlich für die gestiegenen Kosten sind unter anderem die Zinsen auf zusätzliches Eigenkapital, das der Bund dem Konzern zur Verfügung gestellt hat. Diese Zinslast wird über die Trassenpreise refinanziert.

Im Regionalverkehr stehen laut Nachrichtenagentur DPA für 2026 Preissteigerungen von 23,5 Prozent im Raum, im Fernverkehr von 10,1 Prozent und im Güterverkehr von 14,8 Prozent. Die Preisvorschläge stammen von der Bahninfrastrukturtochter DB Infra Go, die Genehmigung obliegt der Bundesnetzagentur. Das Verfahren läuft derzeit noch, eine Entscheidung wird frühestens in einigen Monaten erwartet. Die Netzagentur will zunächst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs abwarten, das die rechtliche Zulässigkeit einer Preisdeckelung im Regionalverkehr klären soll.

Finanzierungslücken im Bundeshaushalt

Aktuell fehlen laut Lutz noch erhebliche Mittel im Bundeshaushalt. Im Güterverkehr beziffert er den Förderbedarf aller Unternehmen für dieses Jahr auf 350 Millionen Euro, eingeplant seien aber nur 275 Millionen Euro. "Im Fernverkehr ist die Lücke etwas größer", so der Bahnchef. Es bedürfe deshalb nicht nur kurzfristiger Finanzhilfen, sondern auch einer strukturellen Reform des Systems. Entsprechende Pläne finden sich auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung.

Auch Martin Burkert, Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Vizechef des Bahn-Aufsichtsrats, warnt vor massiven Auswirkungen für Bahnkunden. "Der Bundestag muss den Preishammer stoppen", sagte Burkert der Bild-Zeitung. Ohne gezielte Förderung drohten noch in diesem Jahr Preissprünge bei den Fahrkarten von mehr als zehn Prozent. Zudem könnten Verbindungen selbst auf stark frequentierten Strecken ausgedünnt werden.

Scharfe Töne vom Ex-GDL-Chef

Der frühere GDL-Chef Claus Weselsky übt indes im Gespräch mit der Welt scharfe Kritik an der Bahn und fordert eine grundlegende Strukturreform. Der Konzern müsse zerschlagen und die Infrastruktur stärker unter politische Kontrolle gestellt werden. Die aktuellen Trassenpreissteigerungen sieht der Ex-Gewerkschaftschef als Instrument zur Eigenfinanzierung auf Kosten der Kunden. Die aktuelle Entwicklung sei das Ergebnis einer verfehlten Bahnreform, die seit 1994 kein einziges ihrer Versprechen eingelöst habe.

"Damals hieß es: besser, schneller, mehr Verkehr auf der Schiene, billiger – eingetreten ist das Gegenteil", sagt Weselsky. Stattdessen stehe der Konzern heute mit 35 Milliarden Euro Schulden da – doppelt so viel wie 1993, als der Schuldenstand auf null gesetzt worden sei. Die Pünktlichkeit sei auf einem Tiefstand, das Angebot lückenhaft, der Konzern aufgebläht.

Trassenpreise als Umverteilungssystem

Die Verantwortung sieht Weselsky bei der Politik. "Unser Staat verfügt Preiserhöhungen im Eisenbahnverkehr, der völlig unpünktlich ist und kein vernünftiges Leistungspaket bietet", kritisiert er. Dass nun auch die Gewerkschaft EVG vor steigenden Ticketpreisen warnt, sei eine "inszenierte Rolle" innerhalb des Konzerns, der letztlich dem Staat gehöre.

Besonders kritisch sieht Weselsky das Trassenpreissystem. "Die Bahn erhöht intern die Trassenpreise, um über den eigenen Finanzkreislauf mehr Geld zu generieren – am Ende zahlt der Fahrgast." Das System nutze der Bahn selbst, schade aber Wettbewerbern und verteuere den gesamten Eisenbahnverkehr. Für ihn sei klar: "Wir könnten auf Grenzkosten* statt auf Vollkosten gehen. Damit würden die Trassenpreise sinken, die Bahn würde attraktiver."

Christian Schmicke

* Grenzkosten sind die zusätzlichen Kosten, die durch die Produktion einer zusätzlichen Einheit entstehen

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