Wie sich Destinationen für den Klimawandel rüsten können
Der Meteorologe und ARD-Wettermoderator Karsten Schwanke (Foto) warnt vor sich Klimafolgen, die sich direkt auf den Tourismus auswirken werden. Infrastruktur und Sicherheitskonzepte müssten daher auf kürzere Planungszyklen und stärkere Ausschläge ausgerichtet werden.
Karsten Schwanke
Karsten Schwanke ermahnt Destinationen eindringlich, sich für Expremwetter zu rüsten
Schwanke sieht die Klimadynamik schneller als erwartet, wie er bei der Jahrestagung der AER-Kooperation im österreichischen Innsbruck sagte. Im Jahr 2024 habe die globale Erwärmung die 1,5-Grad-Schwelle deutlich überschritten. Bei anhaltendem Tempo könne die 2-Grad-Marke in fünf Jahren erreicht sein. Die Atmosphäre speichert wenig Wärme, der Ozean viel. Mehr Verdunstung bringt mehr Wolken und heftigere Niederschläge. Alte statistische Bezugsreihen reichten nicht mehr aus: Der Starkregen in Nordrhein-Westfalen im September habe Werte geliefert, die deutlich über den bisherigen Planungsgrundlagen lägen. Schwanke fordert deshalb, Extremwerte "mindestens mit Faktor zwei bis drei" in der Infrastruktur zu berücksichtigen.
Mehr Energie, heftigere Ereignisse
Bei Tropenstürmen zeigen Auswertungen seit 2003 zwar keine Zunahme der Zahl, aber eine stärkere Intensivierung: mehr Wind, mehr Niederschlag, größere Schäden. Im Mittelmeerraum begünstigen Rekordwassertemperaturen stationäre Gewitterlagen mit extremen Regenmengen, wie sie sich Ende Oktober 2024 in der Region Valencia gezeigt haben. Für Reiseziele bedeutet das kürzere Vorwarnzeiten, Evakuierungs- und Umleitungspläne sowie Redundanzen in Tälern mit wenigen Zufahrten.
Die Alpen stehen unter Druck: Es gibt weniger Frost und weniger Schnee. Messreihen belegen steigende Sommerhöchstwerte – in Innsbruck beispielsweise um rund vier Grad seit den 1960er Jahren. Wintertage mit ganztägigem Frost nehmen in mittleren Höhenlagen deutlich ab. In Innsbruck etwa sank die Zahl der Tage mit Schneedecke von 70 bis 80 auf etwa 30.
Die Nullgradgrenze im Winter stieg in der Schweiz in 100 Jahren um rund 400 Meter und klettert weiter. Die Folge ist, dass sich der Wintersport in größere Höhen verschiebt und in tieferen Lagen im Winter vermehrt Regen auftritt.
Gletscherverlust und Wasserhaushalt
Vergleichsbilder von Gletschergebieten zeigen markante Rückgänge binnen weniger Jahre. Für die Schweiz wird erwartet, dass der Abfluss aus Gletschern zunächst seinen Höhepunkt erreicht und danach trotz fortschreitender Erwärmung sinkt, da immer weniger Eis zum Schmelzen bleibt. Dies betrifft Einzugsgebiete bis ins Mittelland und weiter flussabwärts, sodass der Anteil von Gletscherwasser an großen Strömen abnehmen wird. Der Verlust von Permafrost schwächt zudem den "Klebstoff" in Felsflanken und erhöht das Risiko von Bergstürzen. Die Infrastruktur in Hochlagen wird verwundbarer. Die Sommer werden trockener, die Winter nasser, jedoch in Schüben.
Klimamodelle zeigen für den Alpenraum eine Nordverlagerung der Klimazonen. Im Sommer drohen häufiger Trockenphasen, während im Winter Niederschläge insgesamt zunehmen, jedoch an weniger Tagen mit höherer Intensität fallen. Das verändert die Vegetationsbilder, erhöht das Risiko von Starkregen und verlangt nach angepassten Schutz- und Entwässerungssystemen in den Destinationen.
Technische Hilfen haben nur begrenzte Wirkung
Beispiel Skitourismus: Schneedepots und Abdeckungen können in manchen Fällen frühzeitige Saisonstarts ermöglichen. Schwanke sieht darin Lösungen für den Leistungssport und lokale Eröffnungen, jedoch kein Modell für den breiten Wintersport in tieferen Lagen. Wärmeeinbrüche mitten im Hochwinter, Regen bis in große Höhen und häufigere Tauphasen sind in den letzten zehn Jahren spürbarer geworden.
Für Bergdestinationen rückten drei Handlungsfelder in den Fokus, sagt der Experte. Zum einen gehe es um Sicherheit und Resilienz: Frühwarnung, Lenkungskonzepte, alternative Routen, Schutzbauwerke müssten nach neuen Extremwerten bemessen werden. Außerdem sollten Urlaubsorte Ganzjahresprodukte ausbauen, die Abhängigkeit vom Naturschnee reduzieren und Faktoren wie die Höhenlage und die Ausrichtung von Hängen bei Investitionen stärker gewichten. Nicht zuletzt gehe es darum, Wasser- und Flächenmanagement: Rückhalt, Versickerung und Abfluss steuern; Raumplanung an erhöhte Starkregen- und Trockenheitsrisiken anpassen.
Christian Schmicke
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