Streit um Doku über angebliche TUI-Methoden
Die ZDF-Doku "TUI: Die Insider" erhebt schwere Vorwürfe gegen Europas größten Reiseanbieter. Ehemalige Beschäftigte berichten von irreführender Werbung, fragwürdigen Buchungsbedingungen und Umweltbelastungen durch Kreuzfahrten. TUI weist die Anschuldigungen als einseitig zurück und beklagt mangelnde journalistische Sorgfalt.

TUI
TUI sieht sich aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Vorwürfen durch eine ZDF-Doku ausgesetzt
Mit teils drastischen Vorwürfen rückte die ZDF-Sendung "Die Insider" am Dienstagabend den Reisekonzern TUI ins Zentrum der Kritik. Vier frühere Mitarbeitende berichten von angeblich gängigen Praktiken wie geschönten Katalogtexten, Kostenfallen für Familien und gezielter Manipulation auf Kreuzfahrten. TUI widerspricht entschieden – und stellt die journalistische Arbeitsweise des Senders in Frage.
Kritik an Katalogen und Preisgestaltung
Eine ehemalige Reiseberaterin erklärt in der Doku, dass Beschreibungen im TUI-Katalog häufig beschönigt seien. Ein "naturbelassener Strand" könne sich als verwilderte Bucht entpuppen, der versprochene kurze Weg zum Meer dauere manchmal mehr als 30 Minuten. Auch Kinderangebote seien teils missverständlich: Die Flugkosten seien nicht inklusive, separate Schlafzimmer nur gegen Aufpreis buchbar, berichtet eine frühere Reiseleiterin.
TUI weist diese Aussagen zurück. Die Ausschreibungen seien transparent, betont das Unternehmen. Die Angebote würden auf Basis valider Hoteldaten formuliert, ergänzt durch Gästebewertungen. "Alles andere wäre nicht im Interesse unserer Kunden", so der Konzern.
Angeblich inszenierte Nähe im Cluburlaub
Kritik gibt es auch an den Abläufen in TUI-Clubs. Das Verhalten von Animateuren sei nicht authentisch, sondern Teil einer Inszenierung. Gäste würden gezielt geduzt und zur Interaktion animiert – angeblich auf Anweisung. TUI betont hingegen, das Clubkonzept basiere auf professioneller Betreuung. "Unsere Mitarbeitenden gestalten Erlebnisse – auf Basis klar geregelter Arbeitszeiten und fairer Bedingungen."
Umgang mit Liegen und Essensresten auf Kreuzfahrten
Ein Ex-Restaurantleiter kritisiert in der Doku, dass es auf den Schiffen zu wenige Sonnenliegen gebe – bei 3.000 Passagieren eine kalkulierte Verknappung. Nur durch frühes Reservieren oder gegen Aufpreis in "Entspannungslogen" könne man sich einen Platz sichern. TUI bezeichnet den Vorwurf als unbegründet. Die Zahl der Liegen sei durch Sicherheitsvorgaben begrenzt. Es gebe zudem zahlreiche alternative Rückzugsorte – viele davon kostenlos.
Beim Thema Lebensmittelabfälle widerspricht das Unternehmen der Darstellung, dass 30 bis 40 Prozent der Buffets im Meer entsorgt würden. Essensreste würden an Bord getrennt, gepresst, getrocknet und je nach Region verbrannt, recycelt oder im Hafen entsorgt. Nur in Ausnahmefällen und unter Einhaltung internationaler Standards würden organische Reste auf hoher See freigesetzt – jedoch nicht in umweltschädlichem Ausmaß.
Sterne oder Sonnen – ein Symbolstreit
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Klassifizierung der Unterkünfte. Statt der international üblichen Sterne nutze TUI ein eigenes Bewertungssystem mit Sonnen, was für Verwirrung sorge. TUI erklärt, dass es keine weltweit einheitliche Hotelklassifikation gebe. Das Symbol der Sonnen diene der Vergleichbarkeit über Ländergrenzen hinweg – vergleichbar mit anderen Anbietern, die Ziffern oder Rauten nutzen.
Vorwurf der Effekthascherei
TUI erhebt ihrerseits schwere Vorwürfe gegen das ZDF-Format. Die Redaktion habe gezielt nach kritischen Stimmen gesucht, darunter auch ehemalige Beschäftigte, die seit Jahren nicht mehr im Unternehmen tätig seien. In mindestens einem Fall sei eine Interviewgage von 800 Euro angeboten worden. "Wir vermuten, dass es der Redaktion weniger um Aufklärung als um den nächsten Skandal ging", heißt es in einer Stellungnahme.
Zudem kritisiert TUI, dass trotz frühzeitiger Kontaktaufnahme keine redaktionelle Beteiligung oder Prüfung möglich gewesen sei. Fragen seien erst kurz vor der Ausstrahlung gestellt worden – mit Formulierungen, die auf eine vorgefasste Meinung schließen ließen. Die in der Sendung getroffenen Aussagen seien teilweise falsch oder aus dem Zusammenhang gerissen.
Offene Fragen zur journalistischen Verantwortung
In der Stellungnahme wirft TUI dem ZDF mangelnde Qualitätskontrolle vor. Die Produktionsdauer von fast zwei Jahren spreche für sich, ebenso wie frühere Fehler im Format, etwa bei einem Beitrag zur Deutschen Bahn. "Ist das noch öffentlich-rechtlicher Auftrag?", fragt das Unternehmen und verweist auf seine eigene Medienpraxis: langjährige Zusammenarbeit mit Journalisten, Offenheit für Recherchen und den Fokus auf Kundenzufriedenheit.
Die Sendung lief am Dienstagabend um 20:15 Uhr im ZDF und ist nun in der Mediathek abrufbar.
Christian Schmicke