7. November 2025 | 12:26 Uhr
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Wann Reisebüros ihre Kunden warnen müssen

In mehreren Verfahren wird derzeit geprüft, ob Reisebüros ihre Kunden vor der FTI-Insolvenz hätten warnen müssen. Jurist Holger Hopperdietzel hält eine frühzeitige Information für geboten, sobald sich eine wirtschaftliche Schieflage abzeichnet.

Gericht Hammer Akten

In mehreren Verfahren wird derzeit geprüft, ob Reisebüros ihre Kunden vor der FTI-Insolvenz hätten warnen müssen. Jurist Holger Hopperdietzel hält eine frühzeitige Information für geboten, sobald sich eine wirtschaftliche Schieflage abzeichnet.

Zwei laufende Verfahren vor den Amtsgerichten Stade und Bad Homburg könnten weitreichende Folgen für den Reisevertrieb haben. Im Kern geht es um die Frage, ob Reisebüros verpflichtet waren, Kunden vor der drohenden Insolvenz des Veranstalters FTI zu warnen. Die Kläger hatten Einzelleistungen gebucht und blieben nach der Pleite auf ihren Kosten sitzen.

Informationspflicht bei erkennbarer Schieflage

"Sobald sich Anhaltspunkte verdichten, dass ein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnte, muss das Reisebüro seine Kunden informieren", sagt der Jurist Holger Hopperdietzel im Reise vor9 Podcast. Dabei gehe es nicht um einen festen Zeitpunkt, sondern um die Informationslage. "Wenn die Vögel es von den Dächern pfeifen“, müsse gehandelt werden.

Nach Hopperdietzels Einschätzung war das bei FTI spätestens im Frühjahr 2024 der Fall. Bereits ab Februar hätten zahlreiche Berichte in Fach- und Wirtschaftspresse Anlass zur Sorge gegeben. „Wenn in Medien wie FAZ, Süddeutsche oder Capital wiederholt kritisch über die Lage eines Anbieters berichtet wird, muss man davon ausgehen, dass die Informationen belastbar sind", betont er.

Warnung mit Augenmaß

Eine offene Warnung vor einem Reiseveranstalter könne für Reisebüros allerdings heikel sein, so der Jurist. „Negative Äußerungen über ein Unternehmen können als geschäftsschädigend gewertet werden.“ Stattdessen rät Hopperdietzel, Kunden sachlich über Alternativen zu informieren. So hätten die betroffenen Büros darauf hinweisen können, dass Einzelleistungen unversichert sind, während Pauschalreisen unter dem Schutz der Insolvenzversicherung stehen.

Dieses Vorgehen, sagt er, wäre rechtlich sauber gewesen und hätte das Risiko für die Kunden minimiert. "Ein Hinweis, dass es zwei Möglichkeiten gibt – die eine risikobehafteter, die andere abgesichert – wäre ausreichend gewesen."

Verantwortung liegt beim Vermittler

Laut Hopperdietzel liegt die Informationspflicht klar auf Seiten des Vermittlers. Der Kunde könne nicht wissen, welche Risiken bestehen, das Reisebüro dagegen schon. „Der Vermittler hat das überlegene Wissen und muss im Interesse des Kunden handeln.“ Eine gesetzliche Regelung gebe es zwar nicht, doch aus dem allgemeinen Zivilrecht ergäben sich entsprechende Sorgfalts- und Aufklärungspflichten.

Während die Vorsitzende des Verbands unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR), Maria Linnhoff, frühzeitig Transparenz von FTI gefordert hatte, blieben andere Branchenverbände auffällig still. Hopperdietzel vermutet, man habe das Unternehmen schützen wollen. Eine rechtliche Verpflichtung zur öffentlichen Warnung sieht er für Verbände nicht. "Die Pflicht entsteht erst im Verhältnis zwischen Reisebüro und Kunde."

Rechtliches Neuland

Der Jurist vertritt in einem der Verfahren selbst die Klägerseite. "Wir betreten Neuland", sagt er. Vergleichbare Urteile gebe es bislang nicht. Eine Prognose über den Ausgang sei schwierig. "Ich denke, die Chancen stehen nicht schlecht, aber am Ende muss ein Gericht entscheiden."

Das Verfahren in Nordhorn steht kurz vor der Entscheidung – sie soll am 13. November falle – die mündliche Verhandlung in Bad Homburg ist für Anfang Dezember angesetzt. Sollte eines der Gerichte zugunsten der Kläger entscheiden, könnten daraus weitreichende Konsequenzen entstehen.

Folgen eines möglichen Präzedenzfalls

Ein Urteil zugunsten der Reisenden würde bedeuten, dass Reisebüros künftig genauer prüfen müssen, mit wem sie zusammenarbeiten. Sie müssten sich intensiver mit der wirtschaftlichen Lage von Anbietern befassen und ihre Hinweise an Kunden dokumentieren. "Die Dokumentation wird entscheidend", sagt Hopperdietzel. "Nur so kann ein Reisebüro später belegen, dass es seine Pflichten erfüllt hat."

Mit einer Klagewelle rechnet er dennoch nicht. "Ich glaube nicht, dass viele Kunden in derselben Situation waren. Die Zahl der betroffenen Einzelleistungen dürfte überschaubar sein." Ob die Gerichte die Informationspflichten der Reisebüros ausweiten, bleibt offen. Klar ist für Hopperdietzel jedoch schon jetzt: "Wer als Vermittler tätig ist, trägt Verantwortung für die Vermögensinteressen seiner Kunden."

Christian Schmicke

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