Luftfahrt zwischen verpasstem Klimaziel und Einsparpotenzial
Die gemeinnützige Klimaschutzorganisation Atmosfair warnt, dass der Passagierluftverkehr trotz kleiner Effizienzfortschritte fast wieder das Vorkrisenniveau bei den Emissionen erreicht. Parallel legt die Luft- und Raumfahrtgesellschaft DGLR eine Studie vor, die technische Einsparpotenziale von bis zu 50 Prozent beim Energieverbrauch künftiger Flugzeuge sieht.
iStock/Helin Loik-Tomson
Der Effizienzgewinn in der Luftfahrt liege lediglich bei 7,5 Prozent, kritisiert Atmosfair
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Die Klimabilanz des globalen Luftverkehrs bleibt angespannt. Nach Erkenntnissen von Atmosfair bringen steigende Passagierzahlen und nur 7,5 Prozent Effizienzgewinn seit 2019 die Emissionen des Passagierluftverkehrs nahezu zurück auf das Niveau vor der Pandemie. Die Steigerung liege mit durchschnittlich 1,5 Prozent im Jahr zudem deutlich unter dem von der ICAO vereinbarten Zielwert von zwei Prozent, unterstreicht die Organisation.
Premiumsitze als Emissionstreiber
Besonders ins Gewicht fällt laut Atmosfair der hohe Ressourcenverbrauch von Business- und First-Class. Der CO2-Ausstoß pro Kopf liege dort beim Zwei- bis Fünffachen der Economy Class und verursache rund ein Fünftel der weltweiten Passagieremissionen. Atmosfair unterstütze deshalb die Forderung mehrerer Staaten nach einer Abgabe auf Premiumflüge und höheren Steuern für Privatjets.
Auf der UN-Klimakonferenz treten unter anderem Frankreich, Kenia und Spanien für eine solche "Luxusabgabe" ein. Deutschland gehört nicht zu den Unterstützern. Atmosfair-Geschäftsführer Dietrich Brockhagen erklärte zu dem Thema, die Politik müsse eingreifen, "wo die Luftfahrtindustrie nicht liefert".
Große Unterschiede bei der Effizienz
Im neuen Klimaranking schneiden Air Europa und Iberia mit 75 bis 80 von 100 möglichen Punkten am besten ab. Unter den deutschen Airlines liegt Tuifly mit 76 Punkten vorn. Lufthansa erreicht 60 Punkte, Swiss 54 – vor allem wegen eines hohen Anteils an Business- und First-Class-Sitzen.
Billigflieger erzielen demnach zwar häufig bessere Werte bei Bestuhlung und Auslastung, tragen wegen günstiger Ticketpreise aber zu zusätzlichem Verkehr und zusätzlichen Emissionen bei. Neue und besonders effiziente Flugzeugtypen prägen bislang bei keiner Airline die Flotte. Modelle wie Boeing 737 Max 8, Boeing 787 oder Airbus A350 könnten unter 3,5 Liter Kerosin pro Passagier und 100 Kilometer bleiben, haben sich aber laut der Atmosfair-Analyse bislang nicht durchgesetzt.
Während Atmosfair mehr Belastungen für klimaschädliche Flugsegmente fordert, geht die Bundesregierung einen anderen Weg. Union und SPD haben beschlossen, die Luftverkehrsteuer zu senken und weitere Entlastungen für Airlines vorzubereiten. Die Branche soll damit finanziell gestärkt werden, obwohl die Klimawirkung des Flugverkehrs weiter steigt.
Studie sieht hohes technisches Sparpotenzial
Parallel legt die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) ein Strategiepapier vor, das große Chancen zur Verbesserung der Energieeffizienz aufzeigt. Künftige Flugzeuge könnten ihren Energieverbrauch demnach um bis zu 50 Prozent senken.
Elf Autoren aus Industrie und Forschung identifizieren dafür Fortschritte in Aerodynamik, Leichtbau, Steuerung und Antrieb. Offenere Rotoren, optimierte Laminarströmung, ein umfangreicher Einsatz von Kohlefaserverbundwerkstoffen sowie neue Steuerungskonzepte sollen den Widerstand reduzieren und Gewicht einsparen. Viele Schlüsseltechnologien seien schon vor 2050 einsetzbar, erklärt die DGLR.
Voraussetzungen für Fortschritte
Für die Umsetzung seien neue Zulassungsregeln, angepasste Flughafenstandards und konzeptionelle Änderungen bei Reisegeschwindigkeit und Flughöhen nötig. Die DGLR betont, dass Effizienzgewinne unverzichtbar bleiben, weil nachhaltige Treibstoffe und Wasserstoff zwar nötig, aber langfristig knapp und teuer sein werden.
Atmosfair und DGLR kommen damit aus unterschiedlichen Perspektiven zu einem ähnlichen Schluss: Ohne strukturelle Änderungen bei Flotten, Antriebstechnologien und politischer Regulierung bleibt der Luftverkehr weit hinter den Klimazielen zurück.
Christian Schmicke