Griechenlands Tourismus-Boom stößt an Grenzen
Seit dem Ende der Pandemie erlebt Griechenland einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Tourismus gilt als zentraler Motor und trägt laut World Travel and Tourism Council (WTTC) rund 20 Prozent zur Wirtschaftsleistung bei. Die Besucherzahlen steigen Jahr für Jahr, doch mit dem Erfolg wächst laut National Bank of Greece der Druck auf die Infrastruktur.
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Auch auf dem Festland ziehen Monumente, wie die Akropolis, die Besuchermassen an
Eine aktuelle Studie der National Bank of Greece (NBG) warnt, dass Straßen, Häfen, Strom- und Wasserversorgung sowie Entsorgungssysteme vielerorts überfordert seien. Besonders die Inseln leiden demnach unter der Last. "Um ihre Attraktivität zu bewahren, muss Griechenland massiv in Verkehrs- und Versorgungsnetze investieren", mahnen die Autoren.
Fast die Hälfte aller ausländischen Touristen verbringt laut Statistik den Urlaub auf griechischen Inseln. Zwischen 2003 und 2024 habe sich ihre Zahl von acht auf 16 Millionen verdoppelt. Santorini allein zähle jährlich 3,5 Millionen Besucher, was dem 200-fachen der Einwohnerzahlen entspreche. Mykonos müsse sogar das 300-fache der Einwohnerzahl verkraften. Dennoch wurde nach jüngsten Daten der griechischen Zentralbank auf den Inseln in den vergangenen 20 Jahren nicht stärker investiert als auf dem Festland. Zudem stammten viele Häfen noch aus den 1960er-Jahren. Eine Erdbebenserie auf Santorini habe im Frühjahr deutlich gemacht, wie verwundbar die Infrastruktur sei – es fehle ein geeigneter Hafen für Evakuierungen oder Hilfseinsätze, zitiert das Handelsblatt die National Bank of Greece.
Müll, Abwasser, Strafzahlungen
Neben Verkehrsproblemen sind Abfall und Abwasser ein zentrales Thema. Auf Zakynthos lagern seit Jahrzehnten rund 530.000 Tonnen Müll auf einer illegalen Deponie in einem Nationalpark. Der Europäische Gerichtshof verhängte deshalb im Oktober eine Strafe von 5,5 Millionen Euro plus ein tägliches Zwangsgeld von 12.500 Euro, bis die Sanierung abgeschlossen ist. Griechenland musste seit 2014 insgesamt 149 Millionen Euro an Strafen für illegale Müllhalden und fehlende Kläranlagen zahlen. Auf Mykonos traten im Sommer 2023 Fäkalien über, weil das Abwassersystem überfordert war. Solche Vorfälle beschädigen nicht nur das Image, sondern zeigen strukturelle Defizite auf.
Neue Tourismusabgaben verpuffen
Um gegenzusteuern, hat Griechenland neue Tourismusabgaben eingeführt – eine Klimaabgabe auf Übernachtungen sowie Gebühren für Kreuzfahrtpassagiere. 2024 brachten diese Gebühren insgesamt rund 420 Millionen Euro ein. Doch nur ein Drittel des Geldes fließt laut Studie an die betroffenen Kommunen. Viele Inselgemeinden bleiben demnach unterfinanziert und können kaum in lokale Infrastruktur investieren, so die National Bank of Greece
Die Finanzexperten empfehlen, sämtliche Abgabeneinnahmen vollständig in lokale Projekte zu lenken. Beispiele von den Balearen oder den Seychellen zeigten, dass zweckgebundene Mittel die Transparenz und Akzeptanz solcher Maßnahmen erhöhen.
15 Milliarden Lücke und Handlungsdruck
Nach Berechnungen der NBG wären bis 2035 Investitionen von rund 35 Milliarden Euro nötig, um den Infrastrukturbedarf zu decken. Derzeit fließen jährlich nur rund zwei Milliarden Euro – zu wenig, um den Rückstand aufzuholen. Die Studie schlägt daher vor, privates Kapital und EU-Fördermittel stärker einzubinden und eine zentrale Behörde für Inselinfrastruktur zu schaffen, die Projekte priorisiert und Genehmigungsverfahren beschleunigt.
Nachhaltige Zukunft des Tourismus
Langfristig könne Griechenland nur profitieren, wenn der Wandel weg vom reinen Mengenwachstum hin zu höherer Wertschöpfung gelänge, so die Autoren der Studie. Eine längere Saison und eine gleichmäßigere Auslastung über das Jahr hinweg würden die Rentabilität von Investitionen verbessern und die Umwelt entlasten.
Die Analysten sehen in den geforderten Investitionen nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine Chance: Sie könnten die Tourismuseinnahmen bis 2035 um 45 Prozent steigern und jährlich zusätzliche fünf Milliarden Euro einbringen. Der Boom des griechischen Tourismus könnte damit auf ein nachhaltigeres Fundament gestellt werden, so die Rechenspiele.